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Texte zu Kunst und Philosophie
ISSN 1437-3777

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Werner Brück: Kunst? Wissenschaft? Teil II: Kognitive Bildbegriffe.

Swiss Artists in Labs

Trespassing allowed - Kunst im Labor. Tagung am 19. Dezember 2008, Vortragssaal der Zürcher Hochschule der Künste, ZHdK.

In Zürich existiert seit einigen Jahren das Swiss Artists in Labs Program. Das Programm wurde vom sog. Institut Cultural Studies ICS der Zürcher Hochschule der Künste und dem Schweizer Bundesamt für Kultur BAK realisiert. Ob sich der Titelbestandteil Swiss auf Swiss Artists oder auf ein Swiss ... Program bezieht, ist nicht ganz einsichtig, aber Englisch wirkt repräsentativ und scheint mittlerweile auch eine der ersten Landessprachen der Schweiz zu sein. - Paraphrasieren wir: Ziel sei, Schweizer Künstlern Projektplätze in Laboratorien anzubieten. Jenem Programm gelten die Fragen dieser Wissenschaftslaboratorien als Herausforderungen unserer Zeit. Künstler sollen experimentieren, (natur-)wissenschaftliche und technische Arbeitsweisen verinnerlichen. Als primär kreative Kräfte werden verstanden:

»Die Suche nach Interpretationen der Natur, der Materie und der menschlichen Wünsche wie auch das Interesse zu verstehen, zu entdecken, zu kreieren und nachhaltig neue Ideen zu entwickeln.«(1)

Mit diesem Bezug auf Materie, Natur, Welt steht das Programm in der traditionellen, der klerikalen Zielsetzung der Kunst als Entbergung des Schöpfungsgedankens. Es soll dabei jedoch eine - zeitgemäße - Perspektive auf die Möglichkeiten von Wissenschaft im Sinne einer Beurteilung schaffen. Interessant ist unseres Erachtens das Postulat der Ideennachhaltigkeit, in dem ein wenig Ressourcennotstand und allenthalbe Überhitzung antönen: hier werden - ganz im Sprachgebrauch des 21. Jahrhunderts Wert, Moral und Sittlichkeit gefordert. Eine Kritik künstlerischer Freiheit.

Das Programm befördert nach eigenen Angaben den

»Know-How Transfer zwischen KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen«, möchte Unterstützung darin bieten, »Folgen und Implikationen des wissenschaftlichen Forschens in Bezug auf die Gesellschaft zu kommentieren und künstlerisch zu reflektieren«, evoziert das »Innovationspotential von Schweizer KünstlerInnen im Bereich der Erarbeitung oder Nutzung neuer Tools und Anwendungen wissenschaftlicher Errungenschaften oder Erkenntnisse«, möchte »zwischen Kunst und Wissenschaft in der Öffentlichkeit« vermitteln und »das Verständnis der jeweiligen Verfahren« vorantreiben.(2)

Dies alles impliziert, dass der Bildbegriff der Kunst dem Bildbegriff der Wissenschaft Rechnung trägt. Wissenschaft wird unidirektional Thema der Kunst.

Das Swiss Artists in Labs Program ist nicht das einzige Programm, das Künstler in Labore schickt. Weltweit bilden Organisationen ein Netzwerk, das sich artsactive.net - International network of artists' programs in science and industry research lab nennt. Ihm gehören an: das Australian Network for Art and Technology ANAT in Adelaide, Artists in Labs in Zürich, The Arts Catalyst in London, The Arts and Genomic Center in Amsterdam, der Arts Council England, Disonancias in San Sebastian, Spanien, Ectopia in Portugal, FUSE: cadre_montalvo artist research residency in Kalifornien, ITEM in Liverpool, SymbioticA in Nedlands, Australien, TransGenesis in der Tschechischen Republik. Unterstützer sind Organisationen wie Leonardo / ISAST und Leonardo / OLATS sowie Einzelpersonen wie Berater und Künstler.(3) Allerdings stellt sich dieses Netzwerk zur Aufgabe, Wissenschaft von Kunst befruchten zu lassen, was das Anliegen des Swiss Artists in Labs Program erweitert.(4) Und das bleibt nach einiger Zeit zu fragen: ob nämlich das social embedding der Wissenschaft in künstlerische Praxis zu einer Bereicherung der Wissenschaft führt. Findet der oft selbstbezügliche Bildbegriff der Kunst Eingang in den kognitiven Bildbegriff der Wissenschaft?

Das Swiss Artists in Labs Program ist umtriebig. Am 19.12.08 fand im Vortragssaal der Zürcher Hochschule der Künste unter dem Titel Trespassing Allowed ein Austausch zwischen KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen statt. Bemerkenswert war der Grad wohlwollenden Nichtverstehens, das mitunter Infragestellungen der jeweils anderen Disziplin implizierte, wessen man sich jedoch nicht unbedingt bewusst war. Anlass war das Ausscheiden der teilnehmenden Kunstschaffenden des Jahres 2008. Es handelte sich hierbei um Chandrasekhar Ramakrishnan (Computer Science Lab, Native Systems, ETH Zürich), Sylvia Hostettler (Centre for Integrative Genomics, UNIL, Lausanne), Monika Codourey (Fakultät für Psychologie, Mensch-Maschine Interaktion, Uni Basel) und Ping Qiu (EAWAG Aquatic Research, Dübendorf). Ebenso erfolgte die Vorstellung der ausgewählten Kunstschaffenden für 2009, namentlich Christian Gonzenbach (Département de physique nucléaire et corpusculaire / UNI Genf/CERN), Claudia Tolusso (Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, Bellinzona), Alina Mnatsakanian (IDSIA Instituto Dalle Molle di Studi sull'Intelligenza Artificiale, Lugano) und Luca Forcucci (Brain Mind Institute BMI, EPFL Lausanne). Mit den Personen wurden auch Resultate und Vorhaben vorgestellt. Den Kunstschaffenden zur Seite referierten ebenfalls die Ansprechpersonen der Einrichtungen. Deren Positionen sollen uns in der Folge in Auswahl interessieren.

Jürgen Schmidhuber

Trespassing allowed - Kunst im Labor. Jürgen Schmidhuber über Datenkompression.

Bei Jürgen Schmidhubers Vortrag handelte es sich, wie auch bei den vor etwa zehn Jahren veröffentlichten Ausführungen zu Low-Complexity Art, um den Versuch, bildende Kunst mathematisch anzugehen.(5) Schmidhuber repräsentiert das IDSIA Instituto Dalle Molle di Studi sull'Intelligenza Artificiale in Lugano. Künstler und Physiker versuchten, Realität zu abstrahieren, indem sie Regularität in der Komplexität des Daseins suchten. Kunst und Wissenschaft eine der Versuch, die Datenfülle zu komprimieren, um mit weniger Informationseinheiten auszukommen. Dies gelte als Lernen, dessen intrinsic reward die Optimierung jener Datenkompression sei. Angewandt auf unsere obige Fragestellung suchten Kunstschaffende also mehr oder weniger kognitive Begriffe von Schönheit durch Zusammenfassung empirisch erkannter Regularitäten zu finden. Neuralgische Punkte schönheitlicher Proportionierung würden durch Verwendung von Stilgesetzlichkeiten, Maß (z.B. Goldener Schnitt) und (z.B. Fibunacci-)Zahl reproduziert. In der Identifikation von Regel und Schönheit ist Schönheit für Schmidhuber aus evolutionären und lernbiografischen Gründen optimal prototypisch.(6) Schönheit hat für Schmidhuber jedoch nichts mit Interessantheit zu tun, die sich aus dem Begehen eines schmalen Grates zwischen Vorhersagbarkeit und Ungewissheit ergebe, was unseres Erachtens wohl eine Art temperierten Erwartungsbruches bedeutet.

Trespassing allowed - Kunst im Labor. Jürgen Schmidhuber zu Datenkompression und Proportionen.

Schmidhubers Vortrag war einer der anregendsten, was ihn natürlich exponiert und zur Ehre gereicht. Daher wendet sich ihm der intellektuelle Beißreflex eines Kunsthistorikers in besonderer Intensität zu. In Schmidhubers Darstellung tritt der Bildbegriff der Kunst in den Hintergrund. An seine Stelle tritt ein kognitiver Bildbegriff mit seiner Bindung an eine zu beschreibende Wirklichkeit. Der Bildbegriff der bildenden Kunst sucht die Praxis bildnerischen Gestaltens sowie die Praxis des Anschauens. Kunst ist darin primär bloßes Handeln, das einem zielgerichteten Tun, der Verfertigung einer Sache, sowie der Existenz eines Produktes vorangeht.(7) Der kognitive Bildbegriff der Wissenschaft aber sucht den Wahrheitskontakt in der Relation von Sachverhalten zu diskursiven Abbildungen. Im kognitiven Bildbegriff beschreibt ein Beschreibendes das zu Beschreibende im Sinne einer Entsprechung. Das zu Beschreibende ist ein gegebener Sachverhalt, in Fall der Naturwissenschaft ein solcher der empirischen Wirklichkeit. Das Beschreibende ist ein Satz in einer bestimmten logischen Form, eine Formel. Dagegen suchen Kunstschaffende auch den akthaften Vollzug Kunstschaffens und fordern vom Betrachter genau diesen wieder ein. - Interessanterweise schließen Interpretationen mit ihrer Formulierung von Interpretationen Werke eher ab, als dass sie Interpretationen fortführen. - Wenn aber schon Künstler sich nicht in das Korsett der formelhaften Bezugnahme auf Vorgefundenes zwängen lassen, wie steht es dann mit den Wissenschaftlern? Schmidhubers Aussage, Wissenschaftler suchten die Kompression empirischer Regularitäten in Algorithmen, lässt sich hinterfragen. Die Wissenschaftstheorie ist sich darin keineswegs einig, auch wenn dieses Vorgehen wohl Schmidhubers Wissenschaftsalltag entspricht. Man könnte ja z.B. behaupten, Wissenschaftler wollten beweisen, dass eine erdachte Theorie oder wenigstens ein Teil von ihr zutreffe. Man könnte auch annehmen, dass Beobachtung selbst theoriegeladen sei. Dann könnte keine unkomprimierte Informationsfülle vorausgesetzt werden. Die Optimierung der Datenkompression stellte dann keinen intrinsic reward dar, weil sie bereits vor der Sammlung von Informationen vorhanden wäre und im Wirklichkeitskontakt bloß Anwendung fände, was trivial ist. So schreibt z.B. der US-amerikanische Wissenschaftstheoretiker Thomas S. Kuhn, dass in der Normalwissenschaft wissenschaftliche Paradigmen von vornherein durch die wissenschaftliche Gemeinschaft vorausgesetzt würden. Jene Paradimen gäben als Theoriekerne in theoretischen Axiomen, etablierten Konstanten und Methoden theoretische Lösungen beobachteter Rätsel vor.(8)

Trespassing allowed - Kunst im Labor. Jürgen Schmidhuber zu Gesichtseigenschaften, definiert durch einfache Muster.

Steht Schmidhubers Wissenschaftsbegriff zur Disposition, lässt sich auch nach seinem Kunstbegriff fragen. Und hier stellt man fest, dass der temperierte Erwartungsbruch als Kennzeichen für Kunst ein eher schmales Kriterium ist. Es relativiert zwar Aspekte wie decorum, symmetria und eurhythmia hinsichtlich ihrer Bedeutung für das künstlerische Schaffen, womit es Traditionen in Frage stellt. Es sieht das Neue jedoch bloß als Negation des Tradierten und von jenem abhängig. Die kunstgeschichtliche Epochengliederung verortet Schmidhubers Begrifflichkeiten im italienischen Cinquecento und im französischen Seicento. In renaissanten Poetiken und klassizistischen Traktaten ist vom decorum, der novità und der délectation die Rede. Die darin enthaltene Auffassung, es bereite dem Menschen Vergnügen, an Nachahmung Erwartungserfüllungen und -brüche zu ergründen, lässt Kunst erschöpflich werden: dass sie uns nämlich nicht langweilen, sondern lieber ein paar Häppchen zur intellektuellen Betätigung liefern solle. Das kritiserte bereits Antoine Watteau in seiner Gegenüberstellung der comédie française und der comédiens italiens der stegreifenden commedia dell'arte.

Was kann Jürgen Schmidhuber von Alina Mnatsakanian erwarten, die 2009 seine Einrichtung besuchen wird? Die Künstlerin strebt Erkenntnisse über das Zusammenwirken von Einfachheit und Komplexität an. Sie zeigt Interesse an algorithmischen Formulierungen, am kognitiven Bildbegriff. Sie möchte ihre bisherige künstlerische Forschung mit den Möglichkeiten einer durch Roboter realisierten Hinterfragung räumlicher Grenzen dreidimensionaler Objekten erweitern. Ziel wären z.B Choreografien, Schwarmhandlungen, die zusätzliche Interaktion mit menschlichen Aktionspartnern. Damit sieht sie die Künstliche Intelligenz als Werkzeug ihres künstlerischen Denkens. Ein starker Wille, der keineswegs dazu dient, Künstler und Wissenschaftler in einen Topf zu werfen. Für sie bliebe zu hoffen, dass sie sich der Vereinnahmung durch die Wissenschaft entzieht und die aktbezogenen Charakteristika künstlerischer Praxis pflegt. - Der visuelle Bildbegriff könnte aber auch Schmidhubers Forschungen bereichern. Ein Betätigungsfeld zeigte sich im lebendigen Vortrag, aber auch in der Vorführung eines für uns Menschen lustigen Miteinanders von Fußballrobotern: vielleicht werden die Roboter irgendwann Freude am Fußballspielen finden, so wie ein Wissenschaftler am bloßen Forschen und ein Künstler am schlichten Kunstmachen.

Jürg Gutknecht

Trespassing allowed - Kunst im Labor. Chandrasekhar Ramakrishnan (links), Jürg Gutknecht (rechts), in der Projektion Ramakrishnans Multimediaperformance.

Jürg Gutknecht vom Computer Science Lab, Zürich, gilt der Künstler als Werkzeugschmied. Er greift darin dem vor, was Alina Mnatsakanian für ihren Aufenthalt in Lugano projektiert. Generell lasse sich die Zusammenarbeit von Laboren und Künstlern auf zwei Weisen verstehen. Kunstschaffende im klassischen Sinn gingen in physikalische, chemische oder biologische Labors und versuchten, Wissenschaft zu verstehen und zu vermitteln. Die zweite Variante nutze Wissenschaft zur Schaffung von Werkzeugen, die

»bessere, interessantere und vielleicht auch qualitativ hochstehendere Kunstwerke zu ermöglichen«:

dem Künstler diene das Labor als Werkzeugschmiede. Einerseits gebe es Möglichkeiten zur algorithmischen Bilderzeugung mittels einer eigens dafür entwickelten Programmiersprache, mit dem Ziel,

»echte Kunst zu entwickeln«, oder besser: »zu schreiben statt zu malen«.

Zweites Paradigma sei die Nutzung von wearable computers, mit dessen Hilfe z.B. ein distrubuted ensemble konzipert werden könne. Es handelt sich dabei um ein Orchester, dessen Mitglieder räumlich getrennt, mobil, computersynchronisiert und -systematisiert miteinander improvisieren können. Drittens aber forsche das Labor an HCI- (human computer interaction) Projekten, in welchen Bewegungsmuster erkannt und in Biofeedback umgesetzt bzw. von virtuellen Trainern beurteilt werden. Ersteres fand in visuell animierten Buto-Tanzprojekten und in virtuellen Panoramen, letzteres in Programmen für Tai Chi-Training Anwendung.

Die Kritik kann Aspekte aus der Darstellung Schmidhubers aufgreifen, aber auch andere anführen. Der Aufwertung algorithmischer Bilderzeugung zur Kunst wohnen Aporien inne. Die künstlerische Praxis weist gegenüber der Verfertigung von Dingen den zusätzlichen Aspekt des bloßen Handelns und dessen Beurteilung als sinnvoll oder gelungen auf. In der Redeweise vom Labor als Werkzeugschmiede kommt zum Ausdruck, dass das Labor nur Mittel zum Zweck ist, nicht Selbstzweck, wie eben beispielsweise das künstlerische Handeln. Um Gutknechts Anliegen ernstnehmen zu können, muss sich also Technik künstlerischer Praxis fügen. Doch beeinflusst diese Technik auch die Praxis. Simulation und Virtualisierung wurden explizit genannt. Hier werden soziale Kontexte durch künstlich erzeugte, real nicht vorhandene ersetzt. Es droht die Verhirnung Kunstschaffender, die unter Wegfall körperlicher Grenzen zur Prothese eines tools werden. Das schweigsame, introvertierte, scheinbar leidenschaftsbefreite copy&paste von Formeln in der Multimediaperformance des Gastkünstlers Chandrasekhar Ramakrishnans mutete nicht anders an. Ließe sich Maschinchen eigenständiges Leben einhauchen, indem ihnen der Zweck und der Operateur genommen würde?

Martin Pohl

Martin Pohl vom Département de physique nucléaire et corpusculaire der Uni Genf / CERN vermochte überzeugend zu beschreiben, was er von dem Aufenthalt des Künstlers Christian Gonzenbach erwartet. Pohl interessiert einerseits, ob es nichtanalytische Zugänge zu seinen Studienobjekten gibt. Wie gestaltet sich Kommunikation, vor allem im Sprechen über Wissenschaft? Wie sehen Kunstschaffende wissenschaftliche Prozesse? Er erhoffe sich Erkenntnis darüber, wie Wissenschaftler Wissenschaft betreiben. Galt der Wissenschaft früher beispielsweise Raumzeit als Theater, in dem Materie und Kräfte ein Stück aufführten, so existiere heute ein Bewusstsein darüber, dass Raumzeit selbst mitagiere, vielleicht sogar den Regisseur des Theaters stelle. Daraus ergebe sich ihm die Frage, was Natur sei, nicht, woraus sie bestehe. Das Vakuum bestehe ja nicht aus nichts, sondern enthalte ja auch Kräfte und Wechselwirkungen. Martin Pohls Anliegen entspricht damit dem Vorhaben Claudia Tolussos, die in Bellinzona hospitieren wird und die die sozialen, räumlichen, zeitlichen, ökologischen Wechselwirkungen in einer Modellregion erforschen und beeinflussen möchte.

Trespassing allowed - Kunst im Labor. Martin Pohl (Mitte) und Christian Gonzenbach (rechts).

An Pohls Ausführungen überrascht die Intensität philosophischer Fragestellungen, die man von einem von Berufs wegen positivistischen Physiker vielleicht eher weniger erwarten würde. Er fordert inhaltliche Stellungnahmen der Kunst gegenüber der Wissenschaft, bietet zu Gutknechts zweiwertiger Perpektivierung aus Wissenschaftsvermittlung und Wissenschaftsnutzung noch eine dritte an, die der gleichberechtigten Wissenschaftskooperation. Darin äußert sich eine prinzipielle Offenheit gegenüber Kunst. Die künstlerische Standortbestimmung der Wissenschaft ist ein Vorhaben, das Kunst gleichberechtigt sieht, nicht als ein bloßes Werkzeug, und sich selbst nicht als Ermöglicher von Kunst. Dass er nach eigenen Angaben keine Ahnung von Kunst habe, vielmehr offenmundig staune, bedeutet also eigentlich, dass er sich bilden lassen möchte. Ein Idealbild. Wissenschaftliches Leben besteht hier in ständigem Erfahren, Beschreiben und Erklären. Von der Praxis der Kunst erhofft man sich die Verbesserung einer wissenschaftlichen Lebensführung. Vielleicht liegt dieser Unterschied zu Schmidhuber und Gutknecht darin, dass die beiden Anwendungen intendieren, während Pohl am CERN Grundlagenforschung betreibt.

Fortsetzung folgt ...

Anmerkungen

  1. Website des Swiss Artists in Labs Program, URL http://www.artistsinlabs.ch, Stand 23.01.09.
  2. Website des Swiss Artists in Labs Program, Stand 23.01.09.
  3. Website artsactive.net, URL: http://www.artsactive.net/en/network, Stand 23.01.09.
  4. »Artsactive considers that it is desirable to increase the presence of artists in scientific and entrepreneurial contexts, and the presence of scientists and entrepreneurs in artistic contexts to: develop new sources of innovation and creativity within scientific, technological, economic and social fields; change the context and the direction of scientific, technological, economic and social fields (social embedding); disseminate the fruits of research (especially scientific research) into society at large; encourage knowledge transfer and professional development.« Website artsactive.net, Stand 23.01.09.
  5. Vgl. Schmidhuber, Jürgen: Low-Complexity Art. -in: Leonardo. Journal of the International Society for the Arts, Sciences, and Technology, Bd. 30:2, 1997. S. 97 - 103, vgl. Reedition URL: http://www.idsia.ch/~juergen/locoart/locoart.html, Stand 23.01.09.
  6. Vgl. Schmidhuber (1997), URL: http://www.idsia.ch/~juergen/locoart/node14.html, Stand 23.01.09.
  7. Vgl. dazu Ebert, Theodor: Praxis und Poesis. Zu einer handlungstheoretischen Unterscheidung des Aristoteles. -in: Zeitschrift für philosophische Forschung. Bd. 30, 1979. S. 12-30. Vgl. Aristoteles: Metaphysik II 1, 993b 19-23.
  8. Kuhn, Thomas Samuel: Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Frankfurt a.M., 1967. Stegmüller, Wolfgang: Theorienstrukturen und Theoriendynamik. 2 Bde., hier: Bd. 2: Theorie und Erfahrung. Berlin, Heidelberg, New York, 1973.

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