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Texte zu Kunst und Philosophie
ISSN 1437-3777

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Ulrike Guggenberger: Gespräch mit Professor Wang Fu.

"Ich lebe heute. So finde ich auch in der Gegenwart die Quelle meiner Arbeit, dieser Alltagsbezug ist mir wichtig".

Wang Fu, 1960 in Shi-ja-zhong, China geboren, studierte Malerei und Skulptur an der Akademie in Tiantsin und Peijing. Nachdem Wang Fu bereits als Lehrer am Art Institute in Shi-ja-zhong unterrichtet, bricht er 1986 aus seinem Heimatland in Richtung Westen auf. Er sucht nach neuen Herausforderungen für seine künstlerische Arbeit. So beginnt er trotz solider klassischer Ausbildung in China an der staatlichen Akademie für bildende Kunst in Stuttgart von neuem zu studieren.

"Das Erlernen der Grundtechniken ist Voraussetzung. Aber ein Kunststudium bedeutet schließlich noch nicht, dass man Kunst auch verstanden hat",

ist Wang Fu überzeugt.

"Aus vertiefender Beschäftigung mit seiner eigenen Kunst schöpft man individuelle Antworten und findet zu seiner persönlichen Freiheit",

führt er weiter aus. Jeder tagtägliche kleine Schritt in der Auseinandersetzung mit Kunst erscheint ihm wichtig. Zugleich wirkt sich das intensive Befassen mit Kunst auch auf das Verhältnis zu den Menschen aus. Künstlerisch tätig sein, heißt Philosophieren mit anderen Mitteln.

Zunehmend mehr interessieren Wang Fu grundsätzliche Fragen zur Lebensbewältigung.

"Aus einer anderen Kultur kommend erlebe und sehe ich die Menschen in Europa anders. Im Grunde besteht kein Unterschied zwischen den Menschen hier und dort, tatsächlich aber doch wieder sehr viel. Das hat vor allem mit der Qualität unterschiedlicher Denkstrukturen zu tun. Für einen Menschen aus China sind durchaus andere Dinge gewöhnlich und abgegriffen als für Menschen aus dem Westen."

Das Leben in Deutschland zeigt sich für Wang Fu zugleich klischeehaft wie auch als tiefgründig ernsthafte Angelegenheit. Er beobachtet wie durch Wohlstand und Materialismus das einzelne Leben die Qualität einer eigenen Sinnhaftigkeit einbüßt. Kritisch konstatiert er die Zweischneidigkeit des Wohlstandes. Sowohl für denjenigen der ihn besitzt, wie auch für denjenigen dem er fehlt.

Und er nimmt wahr, dass Freiheit auch im Westen kein unverdientes Geschenk ist sondern ein Ziel das angestrebt und als Verpflichtung wahrgenommen werden muss.

"Kunst kann dazu nicht direkt einen Beitrag leisten, das wäre zu einfach. Der Künstler kann das Thema lediglich auf eine andere, kreativ-konstruktive Ebene heben. Kunst muss man leben. Wer sich mit Kunst auseinandersetzt, hat auch seine Freiheit gefunden".

Wang Fu erinnert damit an schöpferische Fähigkeiten, die in jedem Menschen angelegt sind. Sie müssen nur gehoben werden, auch wenn nicht jeder Mensch Künstler im akademischen Sinn ist. Kunst macht einerseits unser Leben aus und doch leben wir separiert von Kunst, sie kann sich in Dekoration und Konsumkultur manifestieren oder zutiefst ernsthaft sein. Wang Fu verlangt Anstrengung und Intensität, nicht Beliebigkeit.

Seine Arbeiten reifen aus Ideen, die ihn im Alltag anfliegen. Zur Realisierung braucht es Zeit, manchmal Jahre. Wang Fu erklärt diese notwendige Zeitspanne an der Serie seiner Arbeiten "Dreamer", siehe "Kunst+Projekte e.V." mit Biografie und Bibliografie sowie farbigen Abbildungen der "Dreamer"-Skulpturen. Dazu eine konkrete Szene: unendliche Weite des Himmels, Meer, das glühende Rot der untergehenden Sonne. Welche Mittel stehen uns zur Verfügung um ein überwältigendes Erlebnis weiter zu kommunizieren?

Wang Fu beobachtete immer wieder Menschen in ihrer Wahrnehmung während eines Sonnenunterganges am Pazifik. Manche schließen die Augen, andere fühlen mit der Haut, andere können sich dem Augenblick nicht aufmerksam hingeben. Je öfter und bewusster Menschen solche Augenblicke erleben, je mehr Erfahrung sie damit bekommen, je tiefer wird das Erlebnis. Aus der Wiederholung entsteht Konzentration.

Der Moment wo innere und äußere Welt derart intensiv miteinander harmonieren findet nach Jahren in Wang Fu einen Ausdruck, bis zu diesem einen Tag gewachsen aus der Umsetzung der Fragestellung

"Wodurch kann ich den Augenblick der vollkommenen Harmonie zwischen Körper und Natur ausdrücken? Nur durch mich selbst, der ich mich in diesem Moment des Sonnenunterganges vollkommen gegenwärtig spürte."

Dem Gedanken folgend modelliert Wang Fu seine Büste in Übergröße.

Während seiner Arbeit daran argumentierte ein Künstlerkollege, dieser modellierte Wang Fu sei aus Narzissmus heraus geboren. Dieser Zugang, wie auch die Intention Wang Fus beruhen auf einem anderen kulturellen Hintergrund und betrifft diese beiden Personen, für dieses spezielle Werk, in diesem Augenblick. Jede Verallgemeinerung wäre unzulässig.

"Man kann also sagen ich verstehe etwas von Kunst und habe dieses eine Werk doch nicht verstanden".

Für Kunst kann es keine allgemein gültige Antwort geben, sonst wäre Kunst eine Naturwissenschaft. Darum sind wir jedes Mal wieder neu gefordert und müssen unser Verstehen in einem nie endenden Lernprozess weiterentwickeln. Dann trägt Kunst dazu bei, leben zu lernen. Für den Rezipienten bleibt Kunst zunächst immer eine persönliche Begegnung, darin liegt die elementare Anziehungskraft von Kunst. Die Aussage: "Kunst ist Geschmackssache, jeder versteht Kunst auf seine Weise" wäre andererseits für Wang Fu zu beliebig. Das schließt nicht aus, dass Kunst persönlich erlebt und eingeübt werden muss. Auch Hintergrundinformationen

und Vorwissen können nützlich sein. Zu allererst aber beurteilt der Künstler sein Werk selbst, er selbst muss davon überzeugt sein. In diesem Spannungsbogen verläuft Rezeption und Erfassen von Kunst, sie hat sich jedoch jeglicher ideologischen Einordnung zu verweigern.

Ohne Lernprozess kann man Kunst nicht verstehen, auch Erfahrung genügt nicht. Wang Fu empfiehlt:

"Sich einlassen ist ein guter Anfang. Dieser Prozess ist fast genauso schwierig, wie Kunst zu schaffen."

Im Zusammenhang mit Rezeption von Kunst spricht Wang Fu auch darüber, dass uns im Alltag viele Einfälle und Dinge beschäftigen, es aber eine andere Sache ist, sie zu konkretisieren.

"Jeder kann bestimmte Gedanken haben, seien es tiefe oder flache. Nur durch ständiges Überprüfen und Aussortieren wird aus dem Zufälligen eine Weiterentwicklung. Ich versuche konsequent meine Gedanken durch ständiges Nachsinnen klar zu machen."

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Die Autorin

Mag. Ulrike Guggenberger studierte Kunstgeschichte an der Universität Salzburg. Gründungsmitglied der Kunstinitiative "KNIE" sowie der ARGE "Werkstatt im Fluss". Projekte zu Kunst im öffentllichen Raum, freie Journalistin und Kunstvermittlerin am Museum der Moderne Salzburg Mönchsberg. "Werkstatt im Fluss" ist unter "salzachwerkstatt. at" im Netz zu finden.

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